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Rückblick auf ein langes Leben

Vater Knackmuß erzählt…

Zeitungsartikel der Stendaler „Volksstimme“ v. 28.12.1965, geschrieben vom VK Otto Ahrends (1)

„Kommt setzt Euch! Ich freue mich immer, wenn mich jemand besucht.“

Mit diesen Worten empfing uns Vater Knackmuß (2) aus Staats, der wenige Wochen vorher, am 24. November, sein 86. Lebensjahr vollendet hatte. Seine aufgeschlossene Art ließ bald ein flüssiges Gespräch aufkommen.

„Meine Eltern wohnten zuerst in Börgitz, daher kam es, dass ich als Kind oft beim Großvater (3) weilte. Ich kann mich noch genau an die Wiesen, Wälder und Felder erinnern, auf denen die damalige Heil- und Pflegeanstalt errichtet wurde. An einigen der vor über 70 Jahren errichteten Anstaltsgebäude

habe ich als Maurerlehrling mitgearbeitet. Dieses Objekt entstand damals in mehreren Etappen. Zu jedem Bauabschnitt waren andere Baufirmen verpflichtet worden. Aus diesem Grunde musste ich auch meine Lehrzeit in Stendal beenden. Die Verbundenheit mit meiner engeren Heimat war der Anlass, daß ich im Jahre 1904 den Dienst als Betriebsmaurer in der neugeschaffenen Einrichtung aufnahm, wo ich 48 Jahre tätig war.“

Die damalige Heil- und Pflegeanstalt sollte zuerst in Lindenthal, bei Gardelegen, gebaut werden. Doch die Stadtväter gaben dieses Gelände nicht frei. Ein Herr Loburg aus Magdeburg, der 1890 das Gut Modderkuhl mit seinen Ländereien gekauft hatte, bot das Waldgebiet zwischen den Quellen der Uchte und der Eisenban zum Bau dieser Anstalt an. Das Gut wurde später der Anstalt angegliedert und bot gute Möglichkeiten zur Durchführung der Arbeitstherapie.

Schwer war das Leben von Wilhelm Knackmuß. Als Lehrjunge bekam er für eine Stunde 8 Pfennig, 10 Stunden mussten täglich gearbeitet werden. In der Zeit, da er in Stendal beschäftig war, musste er für die Unterkunft täglich eine Mark bezahlen, der Tageslohn lag damals bei einem Höchststundenlohn von 33 Pfennig bei 2,50 bis 3,00 Mark. 4 Pfund Brot kosteten aber 60 Pfennig und für ein Glas Bier musste man 10 Pfennig bezahlen. Als Maurer in Uchtspringe erhielt er 25 Pfennig Stundenlohn.

Notgedrungen musste er dann nach 10stündiger Arbeitszeit mit seiner Frau auf den Acker gehen, um dort den Lebensunterhalt auch durch diese Arbeit zu sichern. Die kleinen Kinder wurden in der Kiepe mit aufs Feld genommen und spielten am Feldrain, während die Eltern ihrer Arbeit nachgingen.

Das harte Leben um das tägliche Brot führten Wilhelm Knackmuß bald zur Gewerkschaftsbewegung, der er seit über 40 Jahren angehört, und nach dem zweiten Weltkriege tat er folgerichtig den Schritt zur Partei der Arbeiterklasse. Schon in seinen jungen Jahren setzte er sich für alle Erleichterungen ein, die damals mit dazu beitrugen, dass Leben der einfachen Menschen zu erleichtern. So gehörte er auch mit zu den Bürgern, die für die Einrichtung einer Konsum-Verkaufsstelle in Börgitz eintraten. „Es ging mir damals darum, eine Verkaufsstelle zu schaffen, in der die Arbeiter mit ihrem kargen Lohn möglichst einkaufen konnten.“

Sehr gut erinnert sich Vater Knackmuß an den großen Brand am 3. Oktober 1890 in Staats, bei dem 26 strohgedeckte Häuser vernichtet wurden. Die Solidarität der umliegenden Ortschaften ermöglichte den Neuaufbau und seit jener Zeit sind auch die Strohdächer in Staats verschwunden.

„Eine besondere Freude war für mich, als mir in diesem Jahr das Krankenhaus Uchtspringe noch einmal die Möglichkeit gab, mir meinen „alten“ Betrieb nocheinmal anzusehen. Sehr beeindruckt war ich von der Tatsache, dass in der Mehrzahl die Zäune um die Krankenstationen verschwunden sind und schöne Parkanlagen das Auge erfreuen. Die neuen Häuser der AWG mit ihrer gepflegten Umgebung sind eine besondere Errungenschaft unserer jüngsten Zeit. Auch die Veränderungen in den Häusern hinsichtlich der sanitär-hygienischen Anlagen interessieren mich sehr.

Das ehemalige Kasino erkannte ich nicht wieder, da aus diesem Haus eine vorbildliche Einrichtung, die psycho-therapeutische Station geschaffen wurde.“

Vater Knackmuß verfolgt noch täglich mit großem Interesse die Ereignisse in seinem Dorf und in der Welt, wobei ihm die „Volksstimme“, die er noch täglich ohne Brille liest, ein guter Freund geworden ist.

Interessiert liest ervor allem die Berichte über die Weltraumflüge und gern würde er es noch erleben, „wie die es wohl machen“, um auf dem Mond zu landen.

Großartig findet er, was in unserem Staat alles für den Arbeiter getan wird, und er vergleicht die heuten Verhältnisse mit seinem harten Kampf um das tägliche Brot in den vergangenen Jahrzehnten und weiß, dass seine Enkel und Urenkel in eine glücklichere Zukunft hineinwachsen. Dieses Wissen verschönert seinen Lebensabend.

 

(1) VK: Volkskorrespondent war die amtliche Bezeichnung für die freien Mitarbeiter von DDR-Zeitungen in der Zeit zwischen 1945 und 1989. Artikel, die von Volkskorrespondenten verfasst waren, wurden in den DDR-Zeitungen unterzeichnet mit „VK N.N.“. Volkskorrespondenten waren die Zuträger lokaler Nachrichten und erfüllten somit eine wichtige Rolle. Sie sollten fähig sein, eine lokale Begebenheit in den offiziell gewünschten Kontext einzuordnen und sachlich darüber zu berichten. Politisch anspruchsvollere Artikel waren in der Regel den Redakteuren der Zeitungen und Zeitschriften vorbehalten. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Volkskorrespondent

(2) Der von der Stendaler Volksstimme Interviewte war Wilhelm Friedrich Knackmuss, *24.11.1879/+10.12.1979, Grundsitzer und Maurer , verheiratet mit Friederike Luise Klaus, *7.2.1879/+27.11.1959

(3) Johann Joachim Nikolaus Knackmuss, 19.9.1801/+28.1.1879, verheiratet mit Ilsabe Katharina Elisabeth Dorthea Matthies, 27.7.1813 in Jerchel/21.2.1877

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